320-Grad-Interview mit dem BAV-Vorstandsvorsitzenden Dieter Uffmann

Dieter Uffmann, Vorstandsvorsitzender des Altholzverbands BAV, über das Ende der EEG-Förderung für Altholzkraftwerke, die bevorstehende Stilllegung von Kapazitäten und den drohenden Entsorgungsnotstand.


Der 1. Januar 2021 markiert den Anfang vom Ende. Dann werden die ersten 9 Altholzkraftwerke in Deutschland die EEG-Förderung verlieren. Im Jahr darauf werden weitere 7 Anlagen folgen. Bis Ende 2026 werden alle 68 Altholzkraftwerke in Deutschland ihre EEG-Förderung verlieren. Insgesamt gibt es in Deutschland 72 Altholzkraftwerke. Sie verwerten jährlich zwischen 6 und 6,5 Millionen Altholz. Die übrigen 1,5 Millionen Tonnen werden überwiegend stofflich verwertet, indem sie für die Herstellung von Spanplatten verwendet werden. Dieter Uffmann ist Geschäftsführer der biotherm Services GmbH und seit April 2016 Vorsitzender des Bundesverbands der Altholzaufbereiter und –verwerter (BAV). Der Altholzverband zählt 93 Mitglieder.


Herr Uffmann, Ende dieses Jahres läuft die EEG-Förderung für 9 von insgesamt 68 EEG-geförderten Altholzkraftwerken aus. Wie viele der Werke werden tatsächlich vom Netz gehen?


So wie sich die Lage aktuell darstellt, werden es einige sein. Ich weiß von mindestens vier Kraftwerken, die entschieden haben, den Betrieb einzustellen. Zwei davon stehen in Mecklenburg-Vorpommern, die beiden anderen Anlagen haben ihren Standort in Hessen und Rheinland-Pfalz.


Über welche Kapazität verfügen diese vier Kraftwerke?

Das sind rund 300.000 Tonnen Kapazität, die künftig fehlen werden.
Angenommen, alle 9 Kraftwerke, die Ende des Jahres aus der EEG-Förderung fallen, hören auf. Wie viel Verwertungskapazität ginge dann verloren?
Das wären dann fast 1,5 Millionen Tonnen mit den vorher erwähnten 4 Anlagen. Wenn es tatsächlich so kommen würde, wäre die Entsorgungssicherheit für Altholz in Deutschland massiv gefährdet. Es wird schon schwierig genug sein, die 300.000 Tonnen zu kompensieren. Wir spielen hier mit der Entsorgungssicherheit, und das dürfen wir uns einfach nicht erlauben. Das versuchen wir der Politik immer wieder klarzumachen.


Die Politik scheint das nicht besonders zu beeindrucken, denn bislang hält die Bundesregierung an dem Aus der EEG-Förderung fest. Ihr Vorschlag für ein sogenanntes Marktintegrationsmodell findet keine Zustimmung.


Ja, das ist leider zum Teil so. Das Bundesumweltministerium ist mit Blick auf einen möglichen Entsorgungsnotstand der Meinung, dass der Markt alles von allein regeln wird. Aber das ist meines Erachtens eine Antwort, die von Desinteresse zeugt. Mit dem Bundeswirtschaftsministerium sind wir im Gespräch und ich hoffe, dass wir da zu einer befriedigenden Lösung kommen werden. Wir wollen ja keine ausufernde Förderung haben. Wir wollen den Ausstieg, aber der Ausstieg sollte geordnet passieren, damit möglichst alle Kraftwerke gleichzeitig vor denselben Bedingungen stehen. So wie es derzeit geplant ist, werden manche Altholz-Kraftwerke aus der EEG-Förderung herausfallen und für einen längeren Zeitraum mit Kraftwerken im Wettbewerb stehen, die noch eine EEG-Förderung erhalten. Das führt definitiv zu Marktverwerfungen. Mit unserem Marktintegrationsmodell wäre das nicht der Fall. Aber wir sind auch offen für andere vernünftige Lösungen.


Deutschland benötigt für den Umstieg auf eine klimaneutrale Wirtschaft den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. Eigentlich müsste es doch ein Interesse an der Energieerzeugung aus Altholz-Kraftwerken geben, oder?


Ja, gerade deshalb ist es so schwer zu verstehen, dass man in Kauf nimmt, thermische Verwertungskapazitäten zu verlieren. Wir alle wollen mit erneuerbaren Energien die Zukunft meistern. Dafür steigen wir aus der Kernenergie und der Kohleverstromung aus und wollen auch noch den Straßenverkehr elektrifizieren. Doch Grundlast gibt es dann nur noch von uns, also von den Altholzkraftwerken. Wir sind in der Lage, bis zu 8.000 Volllast-Benutzungsstunden pro Jahr zu fahren und zwar regelmäßig, auch wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Die Altholzkraftwerke, die bislang noch in der EEG-Förderung sind, haben zusammen eine Kapazität von rund 800 Megawatt. Wenn man diese 800 Megawatt mit Solarenergie ersetzen müsste, bräuchte man ungefähr das Zehnfache an Kapazität. Das heißt, wir reden über 8.000 Megawatt Solarenergie, die man braucht, um allein unsere Kapazität zu ersetzen. Stellen Sie sich mal vor, welche Investitionen hierfür nötig wären. Entgegen aller Vernunft wird die Kapazität der Erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen deutlich reduziert. Das ist doch Wahnsinn, was hier passiert.


So wie es derzeit aussieht, wird es tatsächlich der Markt sein, der den Wegfall von Altholz-Kraftwerkskapazitäten regeln muss. Was glauben Sie, wie wird der Markt reagieren?


Das ist schwer vorherzusagen. Die Ersten, die betroffen sein werden, sind die Aufbereiteter, weil sie irgendwann den Mengenabfluss nicht mehr gewährleisten können. Wenn ihre Plätze voll sind und die Genehmigungsmengen überschritten werden, müssen sie die Annahme stoppen. Die Kommunen werden dann beispielsweise auf ihrem holzigen Sperrmüll sitzenbleiben.


Welche Entsorgungsalternativen gäbe es dann?


Im Grunde genommen nur eine einzige. Die Ersatzbrennstoff-Kraftwerke und Müllverbrennungsanlagen in Deutschland sind voll ausgelastet. Theoretisch kann das Altholz dann nur ins Ausland gehen, aber die Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Die Niederländer, Belgier und Dänen haben selbst nicht genug Kapazitäten und fahren ihr Altholz zum Teil nach Deutschland. Die Schweden haben zwar freie Kapazitäten, aber bei weitem nicht genug, um unsere Mengen aufzunehmen. Von daher ist es mir ein absolutes Rätsel, dass das Bundesumweltministerium die drohende Entsorgungsproblematik in Kauf nimmt. Man sollte die Entsorgungssicherheit über allem stellen und nicht glauben, der Markt wird es schon richten.


Sie haben vorgerechnet, dass den Altholz-Kraftwerksbetreibern aktuell 3 ct/kWh fehlen, wenn ihre EEG-Förderung ausläuft. Deshalb wären sie nicht mehr konkurrenzfähig und müssten gegebenenfalls ihre Kapazitäten stilllegen. Einige Marktbeobachter rechnen mit einem steigenden Strompreis infolge des Kohleausstiegs. Wäre ein höherer Strompreis die Lösung?


Ja, das wäre möglicherweise die Rettung für die betroffenen Kraftwerke. Auch wir glauben, dass der Strompreis aufgrund des Kohleausstiegs steigen wird. Aber das wird nicht sofort passieren. Mit dem Kohleausstieg soll im Jahr 2023 begonnen werden. Die EEG-Förderung läuft aber schon ab Anfang 2021 aus. Im Jahr 2022 könnten nochmal 600.000 wegfallende Verwertungskapazitäten hinzukommen. Bis 2026 gehen etwa 95 Prozent der Verwertungskapazitäten aus dem EEG.


Ist die Umrüstung auf andere Brennstoffe eine Alternative?


In der Regel nicht. Wenn man beispielsweise eine Rostfeuerung hat, kann man schlecht Klärschlamm verbrennen. Mit einer Wirbelschichtfeuerung sieht das anders aus, aber nicht jedes der betroffenen Kraftwerke hat eine Wirbelschichtfeuerung. Ein anderes Thema ist die Vermarktung der überschüssigen Wärmeproduktion. Das haben die Betreiber natürlich schon geprüft. Aber auch das ist in vielen Fällen nicht möglich, nämlich dann, wenn keine Industrie in der Nähe ist. Es hängt also immer an den Gegebenheiten vor Ort.


Inwieweit verschärft das hohe Aufkommen an Schadholz in den deutschen Wäldern die Situation noch weiter?


Unsere Kraftwerke sind nicht direkt betroffen, weil wir Schadholz aufgrund der hohen Feuchtigkeit nicht annehmen. Außerdem erhalten wir dafür keine Zuzahlung, sodass die Annahme für uns nicht infrage kommt. Allerdings können Spannplattenwerke das
Material aufnehmen, was auch schon geschieht. Schadholz verdrängt dann tendenziell Altholz der Kategorien A1 und A2. Dann wären auch wir indirekt betroffen, weil dann mehr A1- und A2-Mengen in unsere Kraftwerke umgesteuert werden müssen. Auch das ist keine einfache Situation.


Das heißt also unterm Strich, Deutschland steuert auf einen Entsorgungsengpass für Altholz zu?


Wir befürchten es, ja. Wir haben eine Entsorgungsfunktion, für die es keine Alternative gibt. Das muss man sich immer vor Augen führen. In Deutschland fallen jedes Jahr rund acht Millionen Tonnen Altholz an. Zwischen sechs und 6,5 Millionen Tonnen gehen in unsere Kraftwerke. Und das zu Recht, weil das, was in unsere Kraftwerke geht, stofflich kaum noch zu verwerten ist. Bei all dem kommt ein ganz wichtiger Aspekt hinzu: Unsere Kraftwerke sind derzeit die mit Abstand günstigsten Energieträger aus dem Bestand der erneuerbaren Wind-, Solar- und sonstigen Energieträger. Denn wir produzieren im Maximum etwas unter zehn Cent pro Kilowattstunde. Die großen Altholzkraftwerke kommen sogar auf unter 9 Cent die Kilowattstunde. Das können altersmäßig vergleichbare Windenergieanlagen gar nicht leisten und die Solarenergie schon gar nicht. Unser Ausstieg und die zeitgleich ausscheidenden sonstigen Erzeugungskapazitäten aus dem EEG wären ein herber Rückschritt. Und die Anlagen würden als Netzstabilisator fehlen.